Ein deutsches Dorf rockt
Von Wolfgang Höbel
Die aus Südkorea stammende Regisseurin Sung-Hyung Cho bestaunt in ihrem Film "Full Metal Village" schleswig-holsteinische Bauern, deren Alltag durch das alljährliche Heavy-Metal-Festival schöner, lauter und bunter geworden ist. Die amüsante Dokumentation erscheint jetzt auf DVD.
Rockmusik ist nicht tot, nur weil ehrbare Langeweiler wie Bruce Springsteen sie ins Wachkoma nudeln oder ein netter Rocker-Jungspund wie Pete Doherty ein bisschen zu aufdringlich mit dem Sensenmann knutscht. Nein, die wirklich wilden, bösen, zähnefletschenden Rockmusiker sind zum Fürchten lebendig und treffen sich und ihre Fans alljährlich zu einer fröhlichen Freudenfeier hinter den sieben Bergen, bei den schleswig-holsteinischen Zwergen.
Solche Sachen zeigt die Filmemacherin Sung-Hyung Cho, 37. Sie ist eine neugierige Frau, die in Südkorea aufgewachsen ist, vor 17 Jahren zum Studium nach Marburg kam und seither in Deutschland lebt; sie behauptet, sie sei nie ein Heavy-Metal-Fan gewesen, auch wenn sie in ihrer Pubertät mal böse laute Songs von Judas Priest gemocht habe. Mit ruhigem, fast ethnologischem Blick betrachtet die Regisseurin das, was sie das "Aufeinanderprallen zweier Kulturen" nennt. Die netten, betulichen Dörfler in der schleswig-holsteinischen Provinz einerseits, die scheinbar so grimmigen, in Wahrheit eher zahmen und lustigen Gruselrockfans andererseits. Ihr Thema, sagt Sung-Hyung Cho, laute: "Was ist eigen, was ist fremd?"
Regisseurin auf Abenteuerexkursion
Tatsächlich fallen die gepiercten, grölenden Rocker und ihre schauerlich kostümierten Anhänger erst im letzten Drittel des Films in Wacken ein. Vorher geht die Regisseurin auf Abenteuerexkursion im Dorf. Sie lässt Bauern vom Niedergang der Milchwirtschaft, dem pausenlosen Zigarettenpaffen ("drei Schachteln am Tag") und von den Geheimnissen einer guten Ehe ("Einer muss den anderen stützen") reden, sie leuchtet Kuhställe aus und Wohnzimmer und einen Trainingsraum, in dem sich zwei Wackener Mädchen fit machen für die Modelkarriere, von der sie träumen.
Oft ist das komisch, oft aber tun sich auf ganz unterschiedliche Weise deutsche Abgründe auf: Wenn etwa ein arbeitsloser Bauarbeiter, der einst an der Gründung des Open-Air-Festivals im Jahr 1990 beteiligt war, mit Weißrussen und Polen auf deutschen Baustellen "aufräumen" möchte oder wenn eine alte Frau von der Flucht aus Ostpreußen übers Haff im Winter 1944/45 erzählt, von Bomben und ersaufenden Pferden und im Eiswasser treibenden Kinderleichen. Die Kunst der Filmemacherin besteht darin, dass sie den Menschen jederzeit mit irritierender Zuneigung auf die Pelle rückt.
Klar gibt es auch ein paar derbere Effekte in "Full Metal Village". Man sieht die Alten des Dorfs beim Gruppentanz herumhampeln und den Dorfpastor erstaunlich milde über die Teufelsanbeterposen der Metal-Rocker sprechen, und einmal, quasi als Eröffnungsabend des Rockfestivals, zeigt Sung-Hyung Cho sogar den Auftritt der dörflichen Feuerwehrkapelle vor einer Horde von wild ihre Mähnen schüttelnden Ledergesellen.
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